Über Sicherheit

Aktuell wimmelt es nur so von Unsicherheit. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. Und das Leben, dass wir kennen wird zunehmend in Frage gestellt. Daher stelle ich mir die Frage, was uns in solchen Situationen Sicherheit gibt.

Was bedeutet eigentlich Sicherheit? Ein Wort, das wir so häufig nutzen, und das doch, wie ich finde, schwer auf Anhieb zu greifen ist. Ursprünglich kommt Sicherheit von lat. securitas, was sorglos bedeutet. Das gefällt mir gut, sorglos. Denn es klingt so, als könnten wir etwas dafür tun. Denn ob wir uns sorgen, entscheiden wir immernoch selbst. Sollte man meinen.

Doch geht das aktuell in dieser Welt, sorglos zu sein?

Ich glaube, dass Sicherheit an sich eine Illusion ist. Nichts ist wirklich sicher. Wir wissen nie, was morgen passiert.Das menschliche Leben ist kein linearer vorgefertigter Plan und wir sind als Einzelne immer Teil eines komplexen Zusammenspiels, das wir niemals ganz durchschauen können. Und wie wir gerade schmerzlich feststellen müssen, liegt sehr viel davon absolut außerhalb unserer Kontrolle. Das klingt erstmal beängstigend, doch ich denke, wenn wir diesen Gedanken etwas sacken lassen kann er auch beruhigend sein.

Denn wenn wir wirklich verstehen, dass das was wir krampfhaft versuchen zu erreichen gar nicht erreichbar ist, bringt das eine erstaunliche Erleichterung mit sich. Wir können unsere Energie anderswo einsetzen. Zum Beispiel in das Gefühl von Sicherheit, denn dieses können wir uns sehr wohl verschaffen.

Sicherheit mit anderen

Sich mit anderen sicher zu fühlen, hat für mich viel mit Vertrauen zu tun.

Und dieses Vertrauen ist vielschichtig. Es gibt das Vertrauen in das Wohlwollen unserer Mitmenschen, das Vertrauen in unsere politischen Systeme. Das Vertrauen in unsere Beziehungen und auch das Vertrauen in uns selbst.

Was brauchst du, um zu vertrauen und dich sicher zu fühlen?

Nimm dir ein Blatt Papier und schreibe nebeneinander die Namen der 5 Menschen auf, mit denen du dich am sichersten fühlst. Denke nicht lange nach und schreibe die Namen auf, die dir als erstes in den Sinn kommen. Schreibe nun jeweils in Stichpunkten darunter:

  1. Was geben dir diese Menschen, dass dich sicher fühlen lässt?

  2. Was gibst du ihnen, damit auch sie sich mit dir sicher fühlen?

  3. Was möchtest du ihnen gerne sagen.


Sicherheit aus uns selbst

Ich denke, dass das, was uns Sicherheit gibt, ziemlich individuell ist. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die mir in Gesprächen immer wieder auffallen:

  • Routinen im Alltag

  • Das eigene Zuhause

  • Aufrichtige und uns wohlgesonnene Menschen 

  • Der Glaube an das Schicksal, Universum oder eine andere höhere Macht

  • Das Vertrauen in das menschliche Miteinander 

  • Verbundenheit mit uns selbst

  • Das Verständnis über eigene Werte

  • Die Gewissheit, dass wir alle miteinander verbunden sind

Ein weiterer Weg, sich in sich sicher zu fühlen, ist zu entspannen. Denn wenn wir uns entspannen, werden nicht nur unsere Gedanken ruhiger, sondern auch unser Körper. Generell ist unser körperliches Wohlbefinden ein wichtiger Bestandteil für das Gefühl von Sicherheit. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Gedanken zu beruhigen oder wir emotional aufgewühlt sind, ist der beste Weg, über den Körper zu gehen.

Es gibt verschiedene Arten, wie sich Menschen entspannen. Für die einen ist es in der Ruhe, für die anderen in Bewegung. Manche Menschen entspannen mit anderen. Andere, indem sie Zeit für sich haben. 

Maja Storch hat zusammen mit Gunter Frank dazu den Mañana-Test entwickelt. Mit Mañana meinen die beiden die Fähigkeit, nichts zu tun und nichts zu wollen. Körperlich gesehen also Momente, in denen unser Nervensystem nicht für Alarmreaktionen sorgen muss. Die Mañana-Zone ist unsere ganz individuelle Zone in der, wir entspannen können. In dem Test könnt ihr herausfinden, wo diese Zone für euch liegt.

Sicherheit in der Welt

Zu guter Letzt hat die Frage der Sicherheit für mich auch etwas mit einem Anspruch zu tun. Doch woher kommt dieser der Anspruch auf Sicherheit? Dazu passt für mich das Buch Unverfügbarkeit von Hartmut Rosa, einem Soziologen, der sich viel mit gesellschaftlichen Phänomenen beschäftigt.

Es ist zugegebenermaßen nicht die leichteste Kost, aber im Vergleich zu seinen anderen Büchern ist dieses Essay gut zu lesen.

In Unverfügbarkeit beschreibt Rosa den menschlichen Drang, sich alles “verfügbar” zu machen.

Für mich verbirgt sich hinter diesem Drang nichts weniger als der Wunsch nach Sicherheit, einem der grundlegendsten Bedürfnisse, die wir als Menschen haben. Durch die zunehmende Komplexität wird die Welt für uns immer weniger durchschaubar. Und je weniger durchschaubar, desto weniger wird sie für uns berechenbar. Das bedeutet Unsicherheit. Und diese Unsicherheit mögen wir nicht. Wir versuchen also umso mehr, für ein künstliches Gefühl von Sicherheit zu sorgen. Doch das ist ein Trugschluss. Es fehlt die Erkenntnis, dass je mehr Sicherheit wir “besitzen” wollen, wir umso unsicherer werden.

Wir müssen also anderswo ansetzen.

Allzu häufig verwechseln wir Sicherheit mit Kontrolle. Und daher ist, was uns häufig am meisten ängstigt, Kontrollverlust. Doch das Leben ist eben nicht zu kontrollieren. Wir können Dinge anstoßen, handeln, uns bemühen. Doch dann ist es auch wieder gut, dem Leben seinen Lauf zu lassen. Damit wir uns nicht im Handeln verausgaben. Denn das ist ein Kampf, den wir nicht gewinnen können. Und wenn wir verstehen, was alles nicht in unserer Kontrolle liegt, hilft uns das, uns darauf zu fokussieren, was wir beeinflussen können und wollen.

Wir Fritz Perls , Mitbegründer der Gestalttherapie, schon bemerkt hat:

„Die Person, die am meisten die Kontrolle hat, ist die Person, die die Kontrolle aufgeben kann.“

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Über den Streit mit uns Selbst

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Über Ambivalenz